Wenn zwei Generationen bei Knorr‑Bremse über Nachhaltigkeit diskutieren … wird klar, dass alle das gleiche Zielbild antreibt: Sie wollen in einem verantwortungsvollen Unternehmen zu einer lebenswerten Welt mit nachhaltiger Mobilität beitragen. Doch führen dorthin verschiedene Ansätze, Haltungen und Wege? Das loten Vorstandsmitglieder und die junge Nachhaltigkeitsreferentin Katharina Serfas im gemeinsamen Gespräch aus.
Frank Markus Weber: Gleich zwei neue Mitglieder der Knorr‑Bremse Familie darf ich begrüßen. Frau Serfas, Sie sind seit Oktober 2022 Nachhaltigkeitsreferentin bei Knorr‑Bremse. Außerdem ist Marc Llistosella hier, er leitet das Unternehmen seit Anfang 2023 als CEO. Als verantwortlicher Vorstand interessiert mich: War Nachhaltigkeit ein Aspekt, der dich in deiner Entscheidung pro Knorr‑Bremse bestärkt hat?
Marc Llistosella: ,Dort kann ich wirklich etwas bewegen‘ – das war mein entscheidender Gedanke beim Entschluss, das Angebot von Knorr‑Bremse anzunehmen. Als CEO will ich klare, langfristige Ziele setzen und diese mit dem Vorstand und allen Mitarbeiter*innen erreichen – auch in der nachhaltigen Unternehmensführung. Nachhaltigkeit ist dabei ein fundamentaler Layer in unserer Unternehmensstrategie. Ich selbst war übrigens zuletzt in Start-ups engagiert, auch im Bereich E-Mobilität. Bei Lösungen zur nachhaltigen Mobilität fühle ich mich deshalb zuhause.
Frank Markus Weber: Start-up Szene – dann kennst du dich mit generationenübergreifender Arbeit und insbesondere der Zusammenarbeit mit jüngeren Generationen sicherlich aus. Junge Kolleg*innen sorgen gerade für eine Art Aufbruchsstimmung, wie siehst du das, Marc?
„Millenials haben berechtigterweise hohe Ansprüche und fordern uns mit disruptiven Ideen.“Marc Llistosella, Vorstandsvorsitzender (CEO)
Marc Llistosella: Millennials haben berechtigterweise hohe Ansprüche und fordern uns Etablierte mit disruptiven Ideen, Digital-Know-how und schneller Umsetzung heraus. Unternehmen, die sich thematisch darauf nicht einlassen und keine Antworten haben, die wird es übermorgen nicht mehr geben. Denn die junge Generation, das sind unsere Stakeholder, unsere Mitarbeiter*innen und unsere Investoren von morgen – und von heute. So wie Frau Serfas, herzlich Willkommen.
Katharina Serfas: Hohe Ansprüche habe ich tatsächlich – vor allem aber an mich selbst. Nach meinem Masterstudium der Global Studies mit Schwerpunkt Wirtschaft und Umwelt war mir klar, dass ich im Nachhaltigkeitsmanagement eines Unternehmens arbeiten möchte. Ich will etwas Sinnvolles tun und mit dem Wissen nach Hause gehen, ‚heute habe ich zu mehr Nachhaltigkeit beigetragen‘. Bei Knorr‑Bremse habe ich Gestaltungsmöglichkeiten gesehen, die nachhaltige Unternehmensentwicklung und letztlich die nachhaltige Mobilität mit voranzutreiben. Als Young Professional geht man ja doch sehr erwartungsvoll-idealistisch an die Sache heran.
Dr. Claudia Mayfeld: Jetzt interessiert mich als Personalvorständin natürlich: Sind Sie eher sanft oder hart in der Wirtschaftsrealität gelandet? (lächelt)
Katharina Serfas: Ich bin mit beiden Beinen auf festem Boden gelandet. Die Strukturen für ein effizientes Nachhaltigkeitsmanagement sind bei Knorr‑Bremse vorhanden. Nachhaltigkeit ist in vielen Prozessen und Entscheidungen bereits integriert. Ich denke hier natürlich an die Klimastrategie 2030, aber auch an die Lieferkette, das EcoDesign und Remanufacturing. Es gibt klare Vorgehensweisen, Zielvorgaben und viel Unterstützung aus den Abteilungen. Das habe ich mir so gewünscht.
Claudia Mayfeld: Ich sehe in Ihrem Gesicht ein kleines „aber“…?
Katharina Serfas: Bei manchen Zielsetzungen ist durchaus noch Luft nach oben. Ich denke an die Tiefe mancher Kennzahl, Zeitachsen oder die Verbindlichkeit einer Ambition. Jedoch sind mir hierbei zwei Sachen bereits sehr klar geworden: Erstens ist die digitale Transformation und damit auch das Datensammeln in einem weltweiten Konzern harte Arbeit. Zweitens sehe ich, dass – wo noch nicht vorhanden – die nötigen digitalen Strukturen sukzessive geschaffen werden. Das ist für mich eine wichtige Motivation: Ich spüre, es geht vorwärts und ich kann mitgestalten.
Frank Markus Weber: In der Tat. Wir arbeiten kontinuierlich daran, Nachhaltigkeit weiter konsequent in die konzernweite Prozesslandschaft zu integrieren. Und wir müssen der Nachhaltigkeit noch mehr Aufmerksamkeit verschaffen. Dabei zähle ich übrigens stark auf Sie. Denn ich sehe Sie innerhalb des Unternehmens auch als eine netzwerkende Nachhaltigkeits-Influencerin. Einverstanden?
Katharina Serfas: Ich wollte nie Influencerin werden. Aber in diesem Zusammenhang nehme ich das gerne an (lacht). Ich habe auch schon durchaus viele Kolleg*innen z. B. aus Einkauf, Produktentwicklung und Compliance getroffen, die als begeisterte Botschafter*innen Nachhaltigkeit in ihrem Arbeitsalltag immer mitdenken.
„Allein mit drei verschiedenen Sustainability-linked Finanzierungsinstrumenten haben wir deutlich gemacht, welchen Stellenwert nachhaltiges Wirtschaften für Knorr‑Bremse hat.“Frank Markus Weber, Vorstand Finanzen, Accounting, Controlling, Steuern, Treasury, M&A, Nachhaltigkeit und Investor Relations
Frank Markus Weber: Genau diesen ganzheitlichen Ansatz wollen wir stärken. Deshalb kann ich hier voller Überzeugung für den Gesamtvorstand sprechen: Wir bekennen uns zur Nachhaltigkeit. Das zeigt sich u.a. in unserem ESG-gekoppelten Vergütungssystem für Vorstand und Management. Aber Knorr‑Bremse hat 2022 weit darüber hinaus seine ESG-Ausrichtung forciert. Allein mit drei verschiedenen Sustainability-linked Finanzierungsinstrumenten haben wir deutlich gemacht, welchen Stellenwert nachhaltiges Wirtschaften für Knorr‑Bremse hat. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass wir unsere Klimaziele dieses Jahr auf Scope 3 ausweiten und von SBTi prüfen lassen werden.
Claudia Mayfeld: Mit Vergütung und Kapitalmarkt sprechen Sie wichtige Treiber an, um Nachhaltigkeit im Unternehmen weiter stärker zu gewichten. Erfolgsgrundlage ist dabei immer die verantwortungsvolle und gute Unternehmensführung. Deren Wahrung hat für uns oberste Priorität. Das ist für uns als börsennotierte Aktiengesellschaft und für unsere Stakeholder essenziell. Wir haben 2022 beispielsweise eine Risikoanalyse unserer Lieferanten und Prozesse hinsichtlich der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht durchgeführt. Dies werden wir künftig jährlich tun. Damit erfüllen wir Forderungen wie die des deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Dieser Integritätsanspruch stärkt langfristig unsere Marktposition. Das geht bis hin zum Recruiting: Denn hier legt die junge Generation großen Wert auf einen verantwortungsvollen Arbeitgeber. Oder, Frau Serfas?
Katharina Serfas: Junge Menschen checken Unternehmen sicherlich besonders gründlich hinsichtlich ihrer nachhaltigen Ausrichtung. Zugleich sehen wir Dinge kritischer. Ein hoher Lebensstandard sollte heute nicht mehr auf Kosten künftiger Generationen gehen. Die Verhaltens- und Wirtschaftsweise des grenzenlosen Ressourcenverbrauchs müssen wir hinter uns lassen. Dass es so nicht weitergehen kann, ist bisher leider nur bei einem Teil der Wirtschaft, Gesellschaft und Politik angekommen. Gerade deswegen ist die kritische und fordernde Sicht der jüngeren Generation als große Chance und wichtiger Antrieb zur konstruktiven Auseinandersetzung mit Themen zu verstehen.
„Bei Knorr‑Bremse habe ich Gestaltungsmöglichkeiten gesehen, die nachhaltige Unternehmensentwicklung und letztlich die nachhaltige Mobilität mit voranzutreiben.“Katharina Serfas, Nachhaltigkeitsreferentin
Marc Llistosella: Ärgert Sie eigentlich, dass die Darstellung Ihrer Generation oft auf Klimaschutz und Work-Life-Balance reduziert wird?
Katharina Serfas: Fortbildung, Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeiten sind mir schon wichtig. Aber das greift viel zu kurz: Es geht um Purpose, Produkte, Umweltschutz und gesellschaftliche Verantwortung. Natürlich gibt es innerhalb jeder Generation Idealisten, Realisten und auch Opportunisten. Mir persönlich war vorab jedoch klar: Um über nachhaltigen Verkehr strategisch diskutieren zu können, muss ich mich mit dem Markt, den Produkten und mit den unternehmerischen Rahmenbedingungen auseinandersetzen.
Marc Llistosella: Auch ich habe mich natürlich während der ersten Monate in zahlreichen Gesprächen und bei vielen Standortbesuchen mit unseren Produkten – die immer auf nachhaltige Mobilität einzahlen möchten – beschäftigt. Da sind außerordentlich energieeffiziente und sichere Systemlösungen im Schienenverkehr. Oder auch die Wegbereitung des intelligenten Güterzugs mit der Digitalen Automatischen Kupplung. Absolut faszinierend. Im Nutzfahrzeugbereich besitze ich als ehemaliger Truck-Manager bei Daimler natürlich umfassende Expertise in Technologie und Management. Was ich hier im Innovationszentrum eCUBATOR an Lösungen zur E-Mobilität kennenlernen durfte, zeigt mir: Mit diesen Spezialist*innen, ihrem Wissen und den agilen Entwicklungsprozessen bieten wir den Fahrzeugherstellern innovative und passende Lösungen für die Transformation in Transport und Mobilität.
Claudia Mayfeld: Sie sprechen die Innovationskraft an, da ist die Fachkraft nicht weit. Genau diese Fachkräfte brauchen wir zur Erfüllung unserer Ziele und für die digitale Transformation. Zugleich müssen wir unsere Mitarbeitenden entsprechend weiterbilden. Für einen gezielten weltweiten Recruitingprozess haben wir 2022 im Rahmen unseres Projektes OneHR die Grundlage gelegt. Zudem wollen wir die Karrieren von Frauen fördern und generell ihren Anteil im Unternehmen steigern. In puncto Gleichberechtigung haben wir bereits einiges in Gang gesetzt. Dazu zählen die Einführung von Frauenquoten für die Gesamtbelegschaft sowie für die Managementslevels 1–4, ein internes Frauennetzwerk und weiterentwickelte Fördermaßnahmen.
Katharina Serfas: Ich habe mich schon ins Münchner Frauennetzwerk von Knorr‑Bremse eingeklinkt. Dieser Community-Gedanke inspiriert mich. Im Mentorenprogramm des Netzwerks begleitet mich ein sehr erfahrener Bereichsleiter. Ich stelle bereits fest, dass mich der Austausch bei fachlichen und sozialen Kompetenzen voranbringt. Dennoch frage ich mich: Wird der Frauenanteil vor allem auch im technischen Bereich steigen? Gruppenfotos von Knorr‑Bremse – wie auch in Politik oder Wirtschaft – mit 50 Männern und ein, zwei Frauen sollten wirklich der Vergangenheit angehören …
„Erfolgsgrundlage ist immer die verantwortungsvolle und gute Unternehmensführung. Deren Wahrung hat für uns oberste Priorität.“Dr. Claudia Mayfeld, Vorständin Integrität, Recht und Personal
Claudia Mayfeld: Absolut, das Geschlechterverhältnis ist auch bei Knorr‑Bremse noch keineswegs ausgewogen. Frauen, die vor 20 Jahren nicht in technischen Berufen ausgebildet wurden, fehlen heute als Fachkräfte. Wir müssen das jetzt ändern, sonst stehen Sie als Millennials in zehn oder 20 Jahren vor dem gleichen Dilemma. Deshalb versuchen wir offensiv, junge Frauen frühzeitig für Technologie und MINT-Berufe zu begeistern. Wichtig ist auch die Klarstellung, dass stimmige Rahmenbedingungen, wie z. B. Lohngleichheit, bei uns selbstverständlich sind.
Katharina Serfas: Vielfalt geht natürlich, auch bei Knorr‑Bremse, weit über die Frauenförderung hinaus. Wir müssen Karrierebarrieren für alle Talente abbauen. Diesen Anspruch von Diversity haben gerade jüngere Menschen bereits stark verinnerlicht. Das fordert, wie all die neuen Werte, Fähigkeiten und Arbeitsweisen, eine Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ein. Welche Rolle fällt denn dabei den jüngeren Mitarbeiter*innen zu?
Frank Markus Weber: In unserer Unternehmenskultur sollen sich immer alle Mitarbeitenden wiederfinden, weltweit. Im Anschluss an unsere letzte Mitarbeiterbefragung erfolgen derzeit die Abteilungsworkshops. Hier erwarte ich mir natürlich auch starke Impulse der jüngeren Generation. Hat die Umfrage selbst doch ein hohes Commitment zur Marke Knorr‑Bremse gezeigt, die Kolleg*innen sind stolz auf ihre Arbeit und die Produkte.
Katharina Serfas: Gleichzeitig wurde aber auch deutlich, wo wir uns noch verbessern können …
Claudia Mayfeld: Sicherlich. Eine unserer Hauptaufgaben ist es, hierarchische Prozesse und Denkweisen in Eigenverantwortung und reibungslose Informationsflüsse zu überführen. Wir arbeiten daran, die geforderte Speak-up Culture weiter im Unternehmen zu etablieren. Eine Aufgabe für zahlreiche Traditionskonzerne, die auch wir unbedingt leisten wollen.
Katharina Serfas: Noch eine Beobachtung zur Unternehmenskultur, die mich persönlich positiv überrascht hat: Mir war die professionelle Organisation des sozialen Engagements bei Knorr‑Bremse vorher so nicht bekannt. Ich habe bei der Initiative Local Care und dem Verein Global Care sehr leistungsfähige Strukturen kennengelernt. Wie der Konzern beispielsweise Solidarität im Ukrainekrieg lebt, die Hilfsbereitschaft, die Spenden und der persönliche Einsatz so vieler Standorte und Menschen – das hat mich beeindruckt.
Marc Llistosella: Absolut, Zusammenhalt macht stark! ‚Mein Ziel ist das blinde Doppelpassspiel mit meinem Vorstandskollegium‘, das habe ich zum Einstand als CEO bei Knorr‑Bremse gesagt. Und was wünsche ich mir von Ihnen, Frau Serfas, und den jungen Kolleg*innen? Um im sportlichen Bild zu bleiben: Die intelligente Spieleröffnung. Zeigen Sie mir neue Wege, neue Varianten, die mich zum Nachhaltigkeitsziel schicken. Glauben Sie mir: Ich bin aufmerksam und kann immer noch schnell und auch ausdauernd laufen! (lacht)