Der intensive Austausch in der Bahnindustrie zeigt einen klaren Trend: Es herrscht Aufbruchstimmung – und ein ehrliches Interesse an nachhaltigen Lösungen für den Schienenverkehr. Gefordert sind ein reduzierter Energieverbrauch, noch niedrigere Schadstoff- und Lärmemissionen, aber auch saubere Luft für Gesundheit und hohen Passagierkomfort an Bord.
Knorr‑Bremse unterstützt Kunden mit hochinnovativen Lösungen, die den Schienenverkehr zuverlässiger und vernetzter, sicherer und sauberer, komfortabler und effizienter machen. Fachexpertinnen und -experten des Unternehmens sprechen über drei Systeme, die den Betrieb von Schienenfahrzeugen nachhaltiger gestalten:
„Wir können durch den Silent Mode auf aufwendige und schwere Kapsellösungen verzichten. Zusammen mit dem Boost und Panto Mode wird eine Gewichtsreduzierung des Gesamtsystems um rund ein Drittel möglich, was letztendlich verminderten CO2-Ausstoß und geringeren Materialeinsatz bedeutet.“Justina Margeth,
Produktmanagerin AirSupply Smart
Die AirSupply Smart schafft eine Grundvoraussetzung für ein neues umweltfreundliches Energie- und Lärmemissionsmanagement auf der Schiene. Denn jahrzehntelang kannten Luftversorgungssysteme von Zügen nur zwei Betriebsmodi: an oder aus. Die AirSupply Smart hingegen kann Druckluft bedarfsgerecht bereitstellen. Die Lieferleistung ist an das Druckniveau angepasst, das durch Fahrzeugbeladung, Geschwindigkeit, Bremsvorgänge sowie Betriebsdaten und Streckentopografie beeinflusst wird. „Herzstück der Lösung ist unser neuer Frequenzumrichter. Der ermöglicht als zentrale Intelligenz der Luftversorgungsanlage drei verschiedene Betriebsmodi: Boost, Silent und Panto Mode“, erklärt Justina Margeth, Produktmanagerin AirSupply Smart.
Der Silent Mode drosselt die Drehzahl des Kompressors, dadurch läuft dieser deutlich leiser. Wichtig ist das z. B. bei nachts in Wohngebietsnähe oder im Bahnhof abgestellten „aufgerüsteten“ Zügen. Denn sie verbleiben in einem oft geräuschvollen Zustand der Betriebsbereitschaft. Messungen zeigen, dass durch den Silent Mode die Schallleistung um bis zu 75 % verringert werden kann. „Dies hilft Betreibern, die immer strenger werdenden Regeln zum Lärmschutz einzuhalten. Dabei denke ich an Normen und freiwillige Vorgaben, die wir mit der AirSupply Smart ohne aufwendige Kapselung erfüllen können. Ein Beispiel ist die Europäische Spezifizierung zur Reduzierung des Abstelllärms, genannt EuroSpec Parking Noise“, stellt Justina Margeth zufrieden fest.
Die AirSupply Smart kann vom Silent Mode in den Boost Mode wechseln, wenn die Luftbedarfe hoch sind und die Luftfederung nachgeregelt werden muss. Das ist z.&nbs;B. bei Umsteigevorgängen mit einer hohen Passagieranzahl der Fall. Mit dem Boost Mode lassen sich zudem die Aufrüstzeiten abgestellter Fahrzeuge verkürzen. Der Boost Mode macht den Einsatz eines kleineren, leichteren Kompressors möglich, der Bedarfsspitzen trotzdem abdeckt. Zusätzlich ermöglicht die Verwendung eines Inverters, den Kompressor zeitweise direkt aus der Fahrzeugbatterie zu betreiben und ihn als Hilfsluftkompressor mit einer reduzierten Drehzahl zu nutzen. Diese Funktion heißt Panto Mode (Pantographen- bzw. Stromabnehmer-Modus). Ein ergänzender Hilfsluftkompressor ist nicht mehr nötig. Die resultierenden Vorteile sind für beide Funktionen eine Gewichtsreduktion, reduzierte Komplexität, geringerer Materialeinsatz sowie reduzierte Lebenszykluskosten.
Alle drei Funktionen, Silent, Boost und Panto Mode, zahlen auf einen verbesserten EcoFootprint ein: „Fahrzeugbauer haben hohe Ansprüche bezüglich Gewichtszielen. Das berücksichtigen wir bereits im ökologischen Produktdesign. So konnten wir im Silent Mode auf aufwendige und schwere Kapsellösungen verzichten. Auch der Boost und Panto Mode tragen zu Gewichtsreduzierung des Gesamtsystems bei, was letztendlich verminderten CO2-Ausstoß und geringeren Materialeinsatz bedeutet.“ Dabei sieht Margeth die Nachhaltigkeitsaspekte als Resultat eines ganzheitlichen Systemverständnisses: „Wir bedienen mit der AirSupply Smart die Kundenanforderung nach intelligenten Lösungen. Mit ihrem umfassenden Potenzial zur adaptiven Regelung sowie dem integrierten Condition Monitoring steigert unsere Lösung die Fahrzeugverfügbarkeit und führt zu weniger Verschleiß und niedrigeren Lebenszykluskosten.“
Ausgewähltes Element:
Compressor
Ein Ansatz der Klimatechnologie für eine verbesserte Umweltbilanz liegt in aufrüstbaren Subsystemen: Die clean[air] Technologie ist auf saubere Luft im Fahrgastraum und Rundum-Komfort ausgerichtet, die green[air] Technologie bietet hocheffiziente Lösungen mit GWP (Global Warming Potential)-reduzierten und natürlichen Kältemitteln. „Gerade die Coronapandemie hat den Kunden und der Öffentlichkeit die Notwendigkeit einer sicheren und sauberen Luftqualität an Bord von Zügen klar verdeutlich, auch über Extremsituationen wie die Pandemie hinaus“, weiß Dr. Giovanni Nurzia, Gruppenleiter Entwicklung bei Merak. Zugleich zählen herkömmliche Klimaanlagen zu den stromintensivsten Verbrauchern eines Zuges. Umso wichtiger sind für Betreiber deswegen Lösungen, die optimierte Luftreinigung und energieeffizienten Betrieb verbinden.
Im clean[air] Konzept hat Merak seine Technologien optimal miteinander kombiniert und ein integriertes Konzept aus drei Dimensionen entwickelt: Verteilung, Filterung und Reinigung. Dabei wird die Luft mittels intelligenter Ventilierung geschickt verteilt und über hocheffiziente Filtrations- und Reinigungslösungen von potenziell pathogenen Keimen und Viren sowie anderen Schadstoffen befreit. Giovanni Nurzia sieht wichtige Alleinstellungsmerkmale: „clean[air] ist die einzige mehrdimensionale, konfigurierbare und skalierbare Luftqualitätslösung im Schienenverkehr. Dabei überzeugt besonders ihr hygienischer Mehrwert durch die wirkungsvolle Entfernung aerosolgebundener Viren wie SARS-CoV-2 aus der Luft. Das hat während der Corona-Pandemie großes Interesse geweckt – und wir konnten bis heute international zahlreiche Flotten über alle Fahrzeugbereiche hinweg mit der Lösung ausrüsten“. Die innovative clean[air] Technik beinhaltet auch hocheffiziente Luftfilter (Merak Long Life Filter, MLLF). „Der MLLF hält bis zu viermal länger als herkömmliche Filter, das reduziert den Abfall und erhöht die Nutzung der Anlagen“, beschreibt Dr. Giovanni Nurzia die Vorteile.
Das green[air] Konzept setzt auf Kältemittel mit reduziertem GWP (Global Warming Potential) und senkt den Energieverbrauch. Ein Faktor sind ECOFans (ökologisch-effiziente Ventilatoren), die gegenüber herkömmlichen Systemen bis zu 30 % Energie einsparen können. Dies kann durch die innovative LITE-Hilfsspannungsversorgung (Light Integrated Train Energy) ergänzt werden, die eine erhebliche Gewichtersparnis ermöglicht: „Die Gewichtsersparnis ergibt sich aus dem Einsatz verteilter Stromversorgungssysteme. Dadurch lässt sich eine Duplizierung von Leistungszwischenstufen vermeiden, was Gewicht spart und damit die Effizienz erhöht. Wir können Fahrzeughersteller bei der nötigen Anpassung der Fahrzeugarchitektur beraten“, erklärt Dr. Giovanni Nurzia.
2022 wurde der neue custom[air]-Konzeptkonfigurator mit kombinierter Leistungs- und TCO (Total Cost of Ownership)-Bewertung auf der Leitmesse InnoTrans präsentiert. Anschließend erreichte er auf dem Berliner Nachhaltigkeitskongress das Finale in der Kategorie Forschung & Entwicklung. Der Konfigurator berechnet in einem ganzheitlichen Ansatz CO2-Emissionen, Luftqualität im Fahrzeug sowie die Gesamtbetriebskosten kundenspezifischer HVAC-Konzepte. Auch verschiedene green[air] und clean[air] Technologien werden einbezogen sowie eine repräsentative Klimazone für den Einsatzort des Systems. Die dazugehörige App kann die Daten verbinden, um Kundenwünsche zu Nachhaltigkeit und Gesundheitsschutz möglichst passgenau zu treffen.
„Mit den clean[air] und green[air] Technologien sind wir in der Lage, die Bereiche Gesundheit und Komfort im Schienenverkehr nachhaltig zu gestalten. Dabei verbinden wir eine bessere Luftqualität mit einer geringeren Umweltbelastung.“Dr. Giovanni Nurzia,
Gruppenleiter Entwicklung, Merak
Die Reduzierung und Einsparung von Energie im Zugbetrieb ist eine zentrale Herausforderung für Bahnbetreiber. Grundlegend für den energieeffizienten Betrieb von Schienenfahrzeugen ist die zuverlässige Erfassung der zugrundeliegenden Daten. Genau dies übernimmt ECOSystem, das Energieverbrauchsmessungs- und ‑management-System der Knorr‑Bremse Marke Microelettrica Scientifica. Es erfasst Daten, misst und managt den Energieverbrauch. Die mit dem Online-Datenhandlingsystem (ECOCom) verarbeiteten Daten sind nach ihrer Erfassung (ECOLogic) für Infrastruktur und Betreiber transparent einsehbar und der Energieverbrauch lässt sich analysieren. Der resultierende Mehrwert: Betreiber können mit Smart Billing Support verbrauchten und rückgespeisten Strom abrechnen. Energy Efficiency Services wie das Fahrerassistenzsystem LEADER ermitteln die zum jeweiligen Augenblick energieeffizienteste Fahrweise, indem sie Informationen über Zugkonfiguration, Strecke, Fahrplan, aktuelle Geschwindigkeit und GPS-erfasster Position nutzen. Schon heute erzielt LEADER im Schienengüterverkehr eine Energieersparnis von mindestens 5 %.
„Die ECOSystem-Familie ist eine wichtige Datenquelle für viele weitere Data-Mining- und Analyseaktivitäten. Das modulare ECOSystem kann verschiedenste Anwendungen unterstützen.“Valter Lovati,
Gruppenleiter Technische Messung, Microelettrica Scientifica
Bei Microelettrica Scientifica sehen wir immer das ‘Gesamtsystem Schienenfahrzeug’, das wir umfassend und in aller Tiefe kennen. Mit diesem Systemwissen setzen wir Ziele, die Mehrwert für alle Projektbeteiligten schaffen sollen. In diesem Zusammenhang und mit Blick auf die wachsende Digitalisierung ist die Zusammenarbeit zwischen den Spezialist*innen der Fachbereiche von entscheidender Bedeutung. Denn jede Organisationseinheit muss genau jene Prozesse identifizieren und fördern, die zur Maximierung ihrer jeweiligen Kompetenzen beitragen. Das ist auch der Schlüssel zum Erreichen gesetzter Nachhaltigkeitsziele.
Die ECOSystem-Familie ist eine wichtige Datenquelle für viele weitere Data-Mining- und Analyseaktivitäten. Das modulare ECOSystem kann verschiedenste Anwendungen unterstützen. Das geht von der reinen Energiemessung zu Abrechnungszwecken über Instandhaltungsaktivitäten bis hin zu komplexen Effizienzalgorithmen, die gesamte Verkehrssysteme erfassen. Alle diese ECOSystem-Anwendungen zahlen auf den nachhaltigen Verkehrsbetrieb ein.
Ja. Das gestiegene Interesse kommt auch von den Infrastrukturbetreibern. Diese verfolgen eine Politik der Tarifdifferenzierung und wünschen sich zertifizierte Energiemanagementsysteme im Schienenfahrzeug. Auch die Flottenbetreiber wollen für eine verbesserte Gesamteffizienz vermehrt nicht-antriebsbedingte Energieverbraucher im Fahrzeug ermitteln. Dabei bieten wir ECOSystem für Neu- und Bestandsfahrzeuge an, es ist also nachrüstbar. Wichtig ist, dass EU-Richtlinien wie die Durchführungsverordnung (EU) Nr. 402/2013 stets vollständig umgesetzt werden können. Das behalten wir mit unserer Erfahrung im Blick.